Der Enzyklopädia Palast. Wundersam, klang- und verheißungsvoll – so der poetische Titel zur Internationalen Ausstellung der Biennale in Venedig 2013 neben den nationalen Pavillionen- mit insgesamt über 100.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche.
Kuratiert von Massimiliano Gioni, Jahrgang 1973, derzeit künstlerischer Direktor der Trussardi Stiftung in Mailand und Ausstellungsdirektor im New Yorker New Museum of Contemporary Art.
Titelstiftend für Gionis Ausstellung war ein Modell des Automechaniker und Self-MadeArtisten Marino Auriti, der 1955 das Weltwissen in einem imaginären Museum bündeln wollte – konkretisiert in seinem mannshohen Model eines 136 Stockwerke hohen Gebäudes und dabei 16 Blocks breit- gedacht für Washington D.C.
Davon inspiriert erstreckt sich Gionis Auswahl von 150 Künstlern aus mehr als 37 Ländern über ein Jahrhundert und auch er will damit die Vision bzw. Illusion von einem umfassenden Wissen visualisieren: Sein Rückbezug geht bis zum Holzkünstler Levi Fisher Ames (1843- 1923) und kommt heute an bei der 26jährigen Shinichi Sawada aus Japan. Bei Gionis Kunstschau sind die Grenzen fließend zwischen Künstlern und Amateuren, zwischen Außenseitern und Insidern. Auch danach ist Anthroposoph Rudolf Steiner immer noch ein überraschender Gast im Enzyklopädia-Palast und weitere Imaginationen anderer Welten sind versprochen.
Damit präsentiert der italienische Kurator tatsächlich keine Topliste des zeitgenössischen Kunstmarktes und stellt dagegen schwerpunktmäßig seine Künstler in einen phantasiereichen und historischen Wissenskontext. Ist das nun einfach nur gestrig oder gerade eine moderne Rückbesinnung, so als wenn man staunend eine neue Art von Wunderkammer betritt? Die 55. Biennale in Venedig : Vom 1.6. bis 24.11.13 www.labiennale.org

Wulffs Wut in Bildern
Das war ein schwerer Fehler, der mir leid tut, so wörtlich der zurückgetretene Bundes-Präsident Christian Wulff über seinen Anruf beim Bild-Chef Kai Dieckmann, in dem er einen ihn entlarvenden Artikel für den nächsten Tag verhindern wollte qua seines höchsten Amtes. Seine Entschuldigung konnte ihn nicht retten.
Künstler Clemens von Wedel kannte auch kein Pardon und hat das vergangene Jahr genutzt, um selbst fast manisch die Wut von Wulff Wort für Wort in sechs Bildern zu malen. In der Berliner Denkerei fand die Vernissage statt und damit Premiere der Veröffentlichung des gesamten Wulff Textes. Gastgeber und Kulturpsychologe Bazon Brock überschrieb den Abend so: Clemens Graf von Wedel gegen Bundespräsident Christian Wulff von Großburgwedel. Der Ausgang ist bekannt – die Pressefreiheit bleibt gewahrt auch für die Bildzeitung. Das Wort Bildzeitung erscheint auf Wedels bunten Wort-Tafeln in unschuldigem Weiß …

Neue Nofretete mit Silberblick
Die Einäugige war Königin und herrschte vor 3000 Jahren über das Reich der Pharaonen. Tatsächlich mit nur einem Auge bestückt fand der deutsche Archäologe Ludwig Borchardt die Schönheit mit den hohen Wangenknochen vor genau 100 Jahren. Zu diesem Jubiläum hat der Düsseldorfer Künstler Hans-Peter Feldmann nun eine neue Nofretete (Neferet-iti = die Schöne ist gekommen) interpretiert – gleich groß wie das Original, aber schrill geschminkt mit einem schielenden Augenpaar. Die kleine 45 Zentimeter hohe, bemalte Gipsbüste ähnlich hinter Glas wie die echte Kostbarkeit herrscht alleinig über den oberen Saal der Neuen National-Galerie in Berlin bis zum 6. Januar 2013 …
Kunst hilft…
Leicht, locker, amüsant und auch noch erschwinglich. Kunst ersteigern ohne Berührungsängste. Auch für Newcomer in Sachen Art-Buying gestaltete sich die alljährliche 14. Kunst-Auktion in Berlin immer am 1.Advents-Sonntag des Jahres – als witzigen Event. Dank Professor Peter Raue, der selbst Kunst-Kenner und -Sammler ist. Mit viel Witz und Charme versteigerte er Arbeiten von 300 Euro bis zum Höchstpreis von 4800,-Eur, ein Ölbild von Sangare Siemsen (geb. 1962) Roter Raum, 2007, in dem er einen Bieter-Wettstreit herrlich anheizte. Aber auch namhafte Künstler wie Norbert Bisky, Klaus Fußmann, und Cornelia Schleime erzielten gute Auktionspreise. Wie auch Armin Müller-Stahl dessen Farblithografie von Venedig, 2008 für 700 Euro zu haben war, spendeten alle der über 90 Künstler ihre Arbeiten. Insgesamt kamen so 123.400 Euro zusammen. Und das für einen guten Zweck: Die Überleben Stiftung für Folteropfer,
die schon ca. 8000 traumatisierten Menschen aus 50 Ländern geholfen hat.

Auf wunderbare Weise – wonderful!
Eine einzige Wunderkammer- der me collectors room birgt aktuell ein Faszinosum an wundervollen Ausstellungsstücken „Humboldt, Krokodil &Polke“- so der Titel der
Kunstmischung aus vorgestern, gestern, heute und zukünftigem, die in der Olbricht Stiftung bis zum 28.4.13 zu sehen sind. Wir starten gleich mit Sigmar Polke, der weist den Weg:“…sogar der Fachmann staunt“, 1984. Wohl wahr! Auch mit Privatsammler Olbricht darf man sich wundern und neue Welten erleben „The End“ von Kris Martin, 2006, in der man sich bereits vom Jenseits her spiegeln kann. Und wie er mit großer Freude und echter Neugier seine eigenen Schätze erklärt: Das titelstiftende exotische Krokodilspräparat, das rückwärts von der Decke hängt. Und sogar er selbst entdeckt immer noch Neues, wie z.B. bei dem Abendmahl von Terence Koh, 2007 bestückt mit Skeletten, die überraschenderweise „Ohren besitzen“. In diesem Fall vielleicht kein Wunder- ist das Ganze doch untermalt mit wunderbarer Musik aus dem postapokalyptischen Film „2044“. Mit dem Humboldt-Pokal( 1648- 1653) ist dann noch mal ein echter Sammler-Coup (Georg Laue) gelungen eine in eine Kokosnuss geschnitzte Kannibalen-Szenerie, der einst aus der Privat-Sammlung von Alexander von Humboldt stammte.


Hallöchen- das war Martin Kippenberger
Hallöchen. So ging Martin Kippenberger auf Menschen zu. Die kleine Schwester Susanne stellte ihre Biografie über den großen Bruder und großen deutschen Künstler (1953 1997)jetzt aktuell auf Englisch vor: Dort wurde dann aus Hallöchen the little Hallo. Bei der Lesung im Deutschen Guggenheim Museum, Berlin.
Die Übersetzung ist nur konsequent, war doch Kippenberger Zeit seines Lebens im Ausland insbesondere in Amerika mehr beachtet als zuhause.
Wir teilten uns damals eine Wohnung mit seiner Freundin Inka (die wohl stabilste Beziehung überhaupt, so Susanne), meiner besten Freundin Inga – und ich. Mitte der Siebziger war Kippi ein spitzbübischer, spöttischer Kindskopf- noch ohne Erfolg. Die Satire und auch sein genialer Sprachwitz fand sich in seinen Arbeiten wieder, die er international ausstellte: Ob die ans Kreuz genagelten Frösche (im Berliner MuseumHamburger Bahnhof), das Selbstporträt mit umgehängtem Schild Bitte nicht nach Hause schicken. Oder auch der Stempel, den Susanne meinem von ihr signierten, sehr lesenswerten Buch Kippenberger- Der Künstler und seine Familien aufdrückte: Bei Nichtgefallen Gefühle zurück. MK
Hannelore, Gerhard & ich
Versprochen, hier ist Richter zum Dritten und zum -vorerst – letzten Mal: Über den Umweg von Hannelore Kraft. Nomen est Omen: Auf mich wirkte die NRW-Chefin recht tatkräftig und bodenständig hier auf dem Landes-Empfang zur Berlinale 2012- und ihr haben wir ein weiteres Richter-Highlight mit zu verdanken. Als größtes filmförderndes Bundesland hatte Düsseldorf Geld in das empfehlenswerte Film-Porträt Gerhard Richter-Painting(aus 2011)gesteckt. Die Kamera ist nah dran, wenn Richter (bei dem Allrounder und bekannt auch fürBanales hat sogar eine Klorolle,1965 Öl auf Leinwand, einen dramatischen Kunst-Charme) entwirft, malt und übermalt. Und wenn er ansetzt und mit seinen Riesenrakeln über die noch feuchte Ölfarbe wischt. Die großen abstrakten Arbeiten passieren so der Zufall wills. 101 Minuten lässt sich der zur Zeit teuerste Maler der Welt in die Maltöpfe gucken und weiß manchmal nicht:ob das Bild schon fertig ist … Echt ist es allemal.



Gerhard Richters Dauerbrenner:Die Kerzen!
Auch im me collectors room in Berlin Mitte setze ich mich gleich wieder direkt ins Bild:
Handy raus und reinfotografiert in Richters Auftakt-Spiegel-Werk. Hier in Berlin Mitte gibt es aktuell die künstlerische Weiterverwertung seiner Originale in Auflage Editionen 1965-2011.
Als Demokratisierung des Kunstmarktes? Gerhard Richter(80) schrieb das so an das Museum of Modern Art New York: Editionen(…). Es ist eine großartige Möglichkeit, meine Arbeit einer größeren Öffentlichkeit zu vermitteln. Thomas Olbrichts Privat-Sammlung zu Richter Editionen
ist eine der weltweit größten und nahezu komplett. Da gibt es die schwarz überrakelte Kerze II von 1989, der Richter dadurch eine starke künstlerische Eigenständigkeit gab. Kürzlich ging gerade eines von den berühmten puren Original Kerzengemälde für 15 Millionen Pfund weg. Als er die 1982 malte, wollte keiner sie haben. Oder auch eine ironisierte Kerzen-Fassung mit der überdeutlichen Handschrift von Gerhard Richter(Foto),ein Mal quer durchs Bild geschrieben,hängt gleich daneben.Wunderbar: Signatur- das will jeder Sammler haben. Da geht mir doch ein Licht auf bis zum 13.Mai 2012.



Gerhard Richter- lasst die Bilder sprechen…
Bin ich wirklich im Bilde, was Gerhard Richter anbelangt? Physisch ja, die schwarzgekleidete Frau mit dem Foto-Handy in einer seiner glasspiegelnden Skulpturen(Foto).
Oh, ein Handy. Der derzeit teuerste Maler der Welt gibt sich überrascht, als ich damit auch ein Porträt von ihm mache. Anlässlich seines 80.Geburtatags angesichts der Presse-Meute scheint er gar nicht schüchtern. Anders als gehört lässt er scheinbar gelassen die Aufmerksamkeit über sich ergehen und macht meist andere von sich reden.
Herr Richter findet seine Bilder intelligenter als sich selbst, seine Auktionspreise einfach absurd möchte nicht dazu befragt werden, so Direktor Kittelmann. Aber was ist Ihnen denn selbst kostbar, sind es die Bilder von Frau und Tochter?
Die gehören mir gar nicht mehr, mag ich aber. So der kecke Kommentar von Richter. Oder wie finden Sie das Prädikat Picasso von heute!- Mißachtet zu werden wäre schlimmer. Parallel in London, Paris und Berlin werden Retrospektiven über das mehr als 5ojährige Schaffen von dem in Dresden geborenen Künstler gezeigt. In der gläsernen Neuen Nationalgalerie in Berlin kann man sich von seinen vielen verschiedenen Stilen & Sujets beeindrucken lassen. Plakativ wie eine Schleife um das Jubiläumswerk Richters gebunden ziehen sich seine 196 Farb-Quadrate mit 4900 verschiedenen Farben von außen sichtbar um die ganze Panorama-Ausstellung herum. Und im Inner Circle hängen dann wieder gegenständlichen Fotobilder neben abstrakten Rakelbildern. Insgesamt 130 Arbeiten die sprechen für sich,bis zum 13.Mai 2012.



Noch nie gesehen – der frühe Baselitz!
Er sammelt sich selbst und geht so weit, dass er eigene Bilder für viel Geld
zurück kauft. Georg Baselitz ist gerade 74 geworden und zeigt nun erstmals seine Sammlung früher Arbeiten aus der Berliner Anfangszeit 1956-1965. Schon nach zwei Semestern musste der gebürtige Sachse damals die Akademie Ostberlin verlassen wegen gesellschaftlicher Unreife. Danach in Westberlin schaffte er sich mit einer skandalösen Ausstellung einen unseriösen Ruf“ mit Bilder wie Die große Nacht im Eimer von einem masturbierenden Jüngling.Kommentar heute: Ich wollte auch auffallen. Der am bayerischen Ammersee lebende Maler und Bildhauer und vor allem Individualist hing damals zwischen dem Sozial-Realismus im Ostteil und der westdeutschen abstrakten Kunst und blieb sich treu.
Dann Mitte der 70iger Jahre wurde er weltberühmt mit seinen Bildern, die auf dem Kopf stehen. Seitdem mag kaum ein anderer Künstler seine Arbeiten mehr unbekümmert baselitzen, so sehr wurde das Auf den Kopf drehen zu seinem Markenzeichen. Damit wollte Baselitz die Trennung von gegenständlichem Motiven und dem Malprozess selbst erreichen. So wird er gleichermaßen zu einem gegenständlichen als auch abstrakten Künstler. Zurück zu seinen Anfängen. Die 25 Exponate zeigt Baselitz( zur Eröffnung mit Frau und Markus Lüpertz) zum ersten Mal – zu sehen in der Kunst-Villa Schöningen vom Springer-Boss Döpfner in Potsdam.(Bis zum 1.August 2012). Und der Maler ist sehr kritisch: Diese Bilder leiden an vielen Dingen. Ich habe sie mir gerne angeschaut und bin heilsfroh, dass er – zwar ähnlich selbstkritisch ist wie Gerhard Richter – sie aber nicht auch noch gleich wie der Künstler- Kollege kurzerhand gar vernichtet hat.
Apropos Gerhard Richter: Er wird 80 – demnächst in diesem Theater…





