„Mögest Du in interessanten Zeiten leben …“ – ein chinesischer Fluch, dessen Herkunft zweifelhaft ist, aber als Redewendung in Politik und Literatur immer wieder aufgegriffen wurde und Zeiten von Unsicherheit und Krise beschreibt. Auch der Kurator und künstlerischer Leiter der diesjährigen 58. Kunst-Biennale von Venedig Ralph Rugoff (62) und wählte das als übergeordnetes Motto für seine Zentralausstellung. „Wir leben tatsächlich in turbulenten Zeiten von weltweiter Migration und Flüchtlingen, in Gesellschaften mit großer Ungleichheit von arm und reich. Wir nutzen ein vermeintlich freies Internet, in dem Falschinformationen, Fake News zirkulieren und in Zeiten von Twitter, wo Wirklichkeit simplifiziert wird,“ so der 1957 in New York geborene Ausstellungsmacher, der seit 2006 als Direktor der Hayward Gallery, der renommierten Kunsthalle an der Londoner Southbank, fungiert.
Mit seinen insgesamt 78 bis 79 ausgewählten Künstlern und gleicher Anzahl Künstlerinnen hat er im Gegensatz zu vorherigen venezianischen Kunstshows die Teilnehmer um die Hälfte reduziert: „Ein Platzgewinn für den einzelnen“. Überhaupt müssen die Künstler noch aktiv sein, um mit ihrer zeitgenössischen Kunst die aktuelle Zeiten reflektieren zu können. Ein weiteres Novum: Wenigstens zwei ihrer Arbeiten werden gezeigt, getrennt einmal in den Giardini und Arsenale mit einer völlig anderen Arbeit. Zu den etabliertesten Kunstschaffenden in Venedig zählen Rosemarie Trockel, Christian Marclay, Hito Steyerl, Jimmie Durham, Otobong Nkanga, Danh Vo, Shilpa Gupta und Tomás Saraceno.
Den weit größeren Teil der Biennale machen die 91 unterschiedlichen nationalen Teilnehmer in den Pavillons und den Nebenausstellungen in den venezianischen Palästen und Locations aus. Erstmals bei der Biennale dabei sind Algerien, Ghana, Madagaskar und Pakistan. Die Dominikanische Republik als auch Kasachstan sollten Premiere in einem eigenen nationalen Pavillon feiern, jedoch Kasachstan hatte zwei Monate vor dem Start überraschend über Facebook abgesagt.
Speziell der deutsche Pavillon wird von der Künstlerin Sadr Haghighian, die auch eine Professur für Bildhauerei in Bremen inne hat, bestückt.
Als fiktive „Natascha Süder Happelmann“ spielt sie mit Identitäten. 2004 gründete sie mit bioswop.net eine Tauschbörse für Lebensläufe, um den Fokus weg von den Künstlern, hin zu ihren Werken zu richten. In dieser Identität wirkt sie so dann auch in Venedig. Haghighians Arbeit artikuliere sich in Text, Bild, Raum und Sound, sagt Franciska Zólyom, Kuratorin des deutschen Pavillons und Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig.
Die Kunstbiennale Venedig: 11. Mai-24.November 2019. www.labiennale.org